GODOT-DAS THEATERMAGAZIN ÜBER COSI FAN TUTTE IM OPERNLOFT HAMBURG

Posted on 19. April 2014 in Allgemein — Share this via

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COSI FAN TUTTE IM OPERNLOFT HAMBURG

Premiere 23.4. 2014, 20: 00 Uhr

weitere Vorstellungen 16.5., 10.7., 16.8., 18.9., 23.10., 29.11.2014, 10.1., 6.2., 7.3. und 8.5. 2015

Musikalische Leitung: Makiko Eguchi

Regie: Nina Kupczyk

Ausstattung: Pascal Seibicke

Elektronische Musik: Transform23

Mit Aline Lettow, Franziska Gündert, Shlomi Wagner, Du Wang

Godot-Das Theater- Magazin

Text: Sören Ingwersen

Das Liebes­ex­pe­ri­ment in Mozarts „Così fan tutte“ ist hinläng­lich bekannt: Zwei junge Burschen, Ferrando und Guglielmo, wollen die Treue ihrer Part­ne­rinnen Dora­bella und Fior­di­ligi auf die Probe stellen. Sie täuschen eine Reise vor, um dann in Verklei­dung die Geliebte des jeweils anderen zu verführen, wobei die Damen den Avancen der uner­kannten Verehrer zu schlechter Letzt erliegen. Auf Frauen ist in Liebes­dingen eben kein Verlass, so die zwei­fel­hafte Moral, die Nina Kupczyk mit ihrer Insze­nie­rung des Zwei­ak­ters am Opern­loft lust­voll aus den Angeln hebt.

Die Sopra­nistin Aline Lettow und die Mezzo­so­pra­nistin Fran­ziska Gündert schlüpfen in die Rollen der Prot­ago­nis­tinnen und schon bald aus ihrem biederen Sekretärinnen-Outfit in verfüh­re­ri­sche Negligés. Denn mit den Herren hat man sich auf ein pikantes Spiel verstän­digt: Part­ner­tausch. Dass dieses nicht ganz harmlos ist, wird klar, als die vertrauten Mozart-Klänge düster wummernden Elektro-Beats weichen und Masken­spiel und Schre­ckens­pose die Szene domi­nieren. Hatten Ferrando (Du Wang) und Guglielmo (Shlomi Wagner) ihren Liebsten zum vermeint­li­chen Abschied („Unsere Mütter feiern zufällig ihren 80. Geburtstag in Istanbul“) noch lapidar einige Porno­hefte und Dildos zur Kulti­vie­rung sexu­eller Fertig­keiten überreicht, müssen die Herren bald erkennen, dass Dora­bella und Fior­di­ligi mit den Finessen des Eros bestens vertraut sind. Immer wieder fällt ein Geld­stück in den Münz­au­to­maten und das elek­trisch betrie­bene Schau­kel­pferd­chen wird zur Selbst­be­frie­di­gungs­ma­schine, die man im Rausch der Lüste auch im Quar­tett besteigt. Später öffnet sich der Vorhang hinter dem mäch­tigen Natur­holz­portal, das Pascal Seibi­ckes klar struk­tu­riertes Bühnen­bild beherrscht, zu einer weiteren Bühne, auf der ein Pole-Dance das Voka­bular der Verfüh­rung komplet­tiert – komi­sche Rutsch­ma­növer inklusive.

Wahre Verführer sind die vier Darsteller auch in stimm­li­cher Hinsicht: Shlomi Wagner überzeugt in der Rolle des Guglielmo als Latin Lover mit bari­to­nalem Schmelz, dem Du Wangs kräf­tiger Tenor eben­bürtig zur Seite steht. Aline Lettows Sopran hat nicht nur Strahl­kraft, sondern auch jenen Nach­druck, der Fior­di­ligi über jeden Verdacht erhebt, nur ein gegän­geltes Frau­chen zu sein. Glühend leuchtet auch Fran­ziska Günderts Mezzo in diesem Quar­tett, auf das die Origi­nal­be­set­zung redu­ziert wurde und in dem die Geschlechter dankens­wer­ter­weise nicht gegen­ein­ander ausge­spielt werden. Denn von Beginn an liegen die Karten offen auf dem Tisch. Man will spielen, mitein­ander, aber vor allem mit der eigenen eroti­schen Fantasie. Dass sich Triebe zu Treue bändigen ließen, entpuppt sich hier als Illu­sion, der keine Träne nach­ge­weint wird. „Akzep­tiere, dass sich alles wandelt“ – mit dieser buddhis­ti­schen Weis­heit endet das Stück, dessen Übertitel nur gele­gent­lich den tatsäch­li­chen Arien­text wiedergeben.

Frene­ti­schen Applaus gibt es bei der Premiere für das tolle Sänger-Team, für das kleine, aber feine Instru­men­tal­en­semble mit Makiko Eguchi (Klavier), Beatriz Pavli­cenco (Violine) und Konrad von Olden­burg (Cello) und für Nina Kupczyks ebenso mutige wie schlüs­sige Regie, die mit Mozarts Vorlage so frei umgeht, wie die Figuren im Stück mit der Liebe. Eine Liebe, die diesen flotten Vierer bravou­rösen Opern­ge­sangs nicht nur überlebt, sondern viel­leicht sogar verstärkt aus ihm hervorgeht.

Weitere Auffüh­rungen: 16.5., 10.7., 16.8. u. 18.9., jeweils 20 Uhr, Opernloft