Ebenso pfiffige wie einfühlsame Interpretation der Märchenoper / Magazin O-Ton
Posted on 6. Dezember 2018 in Allgemein — Share this via

Rusalka auf dem Catwalk
RUSALKA
(Antonín Dvořák)
Besuch am
1. Dezember 2018
(Premiere)
O-Ton
Magazin für das Musiktheater und mehr Kultur.
Es ist nicht zuletzt dem engagierten Einsatz und dem unverbrauchten Charisma der jungen Kräfte im Ensemble und dem szenischen Team zu verdanken, dass das Theater Hagen immer wieder mit gelungenen Produktionen punkten und überzeugen kann, auch wenn es seit Jahrzehnten finanziell am Rande des Abgrunds schlingert. An beiden Aspekten, dem durchweg guten bis hohen Qualitätsstandard und der materiellen Misere hat sich auch unter der neuen Intendanz von Francis Hüsers nichts geändert. Die besondere Treue des Hagener Publikums zu seinem Theater, die Georg Quander der westfälischen Stadt in seinem neuen Buch Opernland NRW bescheinigt, bezieht sich freilich auf die Ära von Norbert Hilchenbach. Dass selbst so beliebte Stücke wie Offenbachs Operette Pariser Leben oder, wie jetzt, die Premiere von Antonín Dvořáks Märchenoper Rusalka deutliche Lücken im Parkett aufweisen, ist nur schwer nachzuvollziehen.
Dabei ist gerade die Rusalka-Produktion ein schlagender Beweis für die Attraktivität, die von den jugendlichen Akteuren ausgeht. Auch wenn man nicht jedem szenischen Detail zustimmen mag, auch wenn die ein oder andere Stimme noch in die Rolle hineinwachsen muss: Die Hintergründigkeit der Aussage kommt in Hagen ebenso zu ihrem Recht wie die entwaffnende Schönheit der Musik.
POINTS OF HONOR
Musik | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Gesang | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Regie | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Bühne | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Publikum | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Chat-Faktor | ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Regisseurin Nina Kupczyk deutet die Sehnsucht Rusalkas nach der Welt der Menschen als Ausbruchsversuch eines jungen Mädchens aus der familiären Enge, um in der scheinbar glanzvollen Welt der Super-Modells sein Glück zu finden. Der Catwalk gehört zu den wichtigsten Requisiten der Produktion, und dass die Hexe Ježibaba eine unverkennbare Ähnlichkeit mit Heidi Klum aufweist und die Waldelfen wie fein herausgeputzte Püppchen aus Germanys next Topmodel wirken, überrascht in diesem Umfeld nicht. Und dass der Prinz die Frauen wie Gebrauchsgegenstände benutzt und ablegt, ebenso wenig. Die Regisseurin verliert sich allerdings nicht in oberflächlichen Anspielungen, sondern entwickelt sehr einfühlsam, wie sich das Glück in dieser Traumfabrik als fadenscheinige Illusion einer Fantasiewelt entpuppt, in der es noch kälter zugeht als in den Tiefen des Sees. Rusalka ersehnt sich Wärme und Zuneigung von ihrer Wandlung zur Menschenfrau und erfährt eine Welt ohne Menschlichkeit. Dabei hört Kupczyk sehr genau auf die Musik, die präzise nachvollzieht, wie die unglückliche Meerjungfrau diese Mechanismen allmählich erkennt und sich am Ende in trister Einsamkeit zurückgelassen sieht. Ein Bewusstseinsprozess, den auch der Prinz durchlebt. Doch ebenso zu spät und ohne Happy End.
Den Wassermann deutet die Regisseurin als leiblichen Vater Rusalkas, der, dem Alkohol zugetan, seine Tochter unter starker Kontrolle hält. Auch er erfährt eine Wandlung mit ebenso unglücklichem Ausgang. Romantische Märchenstimmung kommt in diesem Szenario zwar nicht auf, doch taugt die Rusalka ohnehin noch weniger zum Kinderstück als die Opern von Humperdinck, Hänsel und Gretel eingeschlossen.
Foto © Klaus Lefebvre
Wenn man sich trotzdem in die Romantik versetzt fühlt, ist das der Musik zu verdanken, deren üppig leuchtende orchestrale Grundierung Chefdirigent Joseph Trafton und das voluminös aufspielende Philharmonische Orchester Hagen mit satten Farben ausstattet. Das erweist sich angesichts der druckvollen Dynamik nicht immer als besonders sängerfreundlich. Jedoch trifft Trafton für die differenzierten Stimmungslagen des Werks stets den richtigen Ton, so dass sich die Sänger weitgehend gut aufgehoben fühlen können.
Eine besonders erfreuliche Überraschung bietet die aus dem benachbarten Unna stammende Sopranistin Angela Davis in der Titelrolle, die mit ihrer sauber geführten, völlig tremolofreien und in den Höhen mühelos ansprechenden Stimme die schwierige und kräftezehrende Partie grandios gestaltet. Ihr ebenfalls sehr junger Kollege Milen Bozhkov in der nicht minder strapaziösen Rolle des Prinzen tut sich etwas schwerer, was freilich noch an Defiziten in der Aussprache der deutschen Fassung liegt. Die störenden Vokalverfärbungen lassen sich freilich mit entsprechender Schulung vermeiden. Stimmlich verfügt der junge Tenor über ausreichendes Potenzial für die Partie.
Die Ensemblepflege des Hagener Theaters sorgt auch für rundum überzeugende Besetzungen der kleineren Partien. Hier können vor allem Dong-Won Seo als Wassermann und Kristine Larissa Funkhauser als Hexe Ježibaba sowie die immer präsente Veronika Haller als Fremde Fürstin punkten.
Der Rest des Ensemble und der Chor runden das vorbildliche musikalische Resultat adäquat ab.
Viel Beifall für eine sehr geschlossene und hochwertige Produktion der schönen Oper.
Pedro Obiera